Smaragd mit Seeblick
Nicht auf niederösterreichischem Urgestein allein gedeihen schöne Rieslinge
aus der Standard v. 2.3.97
Am Anfang war der Frost. Der machte Josef Umathum, Rotwein-Pionier und Wine-Challenge-Gewinner aus Frauenkirchen, im Jahre 1993 schwer zu schaffen. Und reduzierte seine Erträge dermaßen, daß er sich nach Ersatz umschauen mußte. Er fand einen Mann in Neusiedel am See, der von seinem Großvater die Weingartenarbeit erlernt hatte und später in der Petrochemie genug Geld verdiente, um seiner Liebe nachgehen, sich ein paar Weingärten kaufen und fortan vom Traubenverkauf leben zu können. Ihm zahlte Josef Umathum gerne den höchsten Preis für seine Trauben, denn die Weingärten waren so gepflegt und ordentlich wie japanische Meditationsparks, und die Qualität stimmte erst recht.
Anläßlich einer Begehung der Weingärten am Joiser Jungerberg, einer nachgerade idealen Burgunderlage in Südost-Exposition, von der seit 1993 der Pinot Noir Umathums herkommt, gelangten die beiden Geschäftspartner an einen kleinen, uralten Riesling-Weingarten in perfekter Südlage. Der Trauben-Mann erzählte dem Winzer, daß er den Riesling brauche, um seinen Weißburgunder ein bißchen eleganter und feiner zu machen, einen Weißburgunder, der für gewöhnlich im „Servus“ verschwindet.
Dabei ist dieser Riesling-Garten in mehrerer Hinsicht äußerst bemerkenswert: Laut den Erinnerungen eines alten Mannes müssen die Rebstöcke über 70 Jahre alt sein – ein biblisches Alter und zugleich allerbeste Voraussetzung für einen Wein der Extraklasse. Außerdem tritt gerade an diesen beiden dem Leithagebirge vorgelagerten Klippen das Urgestein aus seiner lehmig-kalkigen Ummantelung hervor, eine geologische Abnormität, die sich für den Weißwein als prädestiniert erweist. Dazu kommt noch eine Schneise gleich neben dem Weingarten, durch die der kühlende Westwind mit Karacho hindurchbläst, wofür sich der Riesling mit seiner intensiven Fruchtigkeit bedankt. „Dabei glaubt man, was man so hört, daß der gesamte österreichische Weinbau nur aus der Wachau besteht.“
In diesem Weingarten am Joiser Hackelsberg sah der Rotweinmacher jedenfalls die Chance, rieslingmäßig auch mal das Burgenland ins Spiel zu bringen. Für Josef Umathum stand fest: Die Trauben mußte er haben, egal was sie kosten. Wobei der Preis bei den darauf folgenden, mühseligen Verhandlungen noch die geringere Rolle spielte. Jedenfalls mußte Umathum heilfroh sein, als die edlen Trauben gelesen waren, bevor sich’s sein Partner anders überlegt hatte und der Wein wieder unwesentlicher Bestandteil des „Servus“ wurde.
Einer früheren Idee, den Riesling nach alter, burgenländischer Tradition mit Traminer zu verschneiden, ging er nach Beratungen mit Ernst Triebaumer aus Rust nicht weiter nach, sondern entschloß sich, aus dem Wein „was ganz Traditionelles zu machen“. Also ließ er die 1000l im alten Holzfaß vergären, was sich unheimlich langsam bis zum Dezember hinzog, und gönnte dem Wein ansonsten seine Ruhe. Ein Respekt, der angemessen schien, denn so einen Riesling hat’s im Burgenland zumindest in diesem Jahrhundert ja wohl kaum noch gegeben: 12,2 Prozent Alkohol, 9g Säure und 1g Restzucker, dazu eine subtile, zarte Frucht von weißen Pfirsichen, die sich mit den mineralischen Komponenten dieses Ausnahmeweins zu wunderbarer Harmonie verquickt, einem Riesling aus dem Elsaß nicht unähnlich.
Und noch ein zweiter Weißwein wurde Umathum in dem Jahr, wo’s mit dem Rotwein so schwer war, beschert: Bei _einem Klassentreffen erzählte ihm ein ehemaliger HAK-Kollege, daß er plane, seinen Traminer endlich auszureißen, weil er nichts mehr bringe. Nun, da war Umathum natürlich dagegen, weshalb sich in seinem Keller jetzt auch noch ein paar Barriques mit einer Mischung aus rotem und dem seltenen gelben Traminer befinden, mit feiner Säure versehen, dem Duft überreifer Stachelbeeren und dem reichen Aroma von Lychees und Himbeeren. Die Erfahrung fehle ihm mit diesen Weinen halt noch, meint Josef Umathum angesichts seiner Köstlichkeiten bescheiden.
Jene, daß man ihm seinen Riesling und seinen Traminer schneller aus den Händen reißen wird, als er „Hu!“ sagen kann, wird er mit den Wachauern wohl bald gemeinsam haben.
F. Holzer